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Grosser Selbsttest: Bin ich ein Gruppenchat-Idiot?

In der zwischenmenschlichen Kommunikation gibt es Benimmregeln, die es zu befolgen gilt. Ausser, man hat nichts gegen Ausgrenzung und gesellschaftliche Ächtung. Ich möchte da beispielsweise den Augenkontakt erwähnen im Gespräch, die gewählte Ausdrucksform, den Kontrahenden aussprechen zu lassen – oder das Vermeiden, sein Gegenüber beim Sprechen anzuspucken, auch wenn man sehr aufgebracht ist und etwas Aufregendes mitzuteilen hat.

Gerade in der Neuzeit entstehen immer neue, insbesondere elektronische Kommunikationsformen mit bisweilen fantastischen technischen Möglichkeiten, die den guten, alten Telefonapparat ganz schön alt aussehen lassen, und überhaupt nicht mehr gut. Diese Schnelllebigkeit stellt uns älteren Menschen über 25 vor gewisse Herausforderungen: Es besteht die Gefahr, dass wir mit den Jungen nicht mehr mitzuhalten fähig sind, und wir uns in gewissen Situationen zum Trottel machen. Dieser Test richtet sich folglich nicht an 14-Jährige, die in einer Woche mehr Text in Kurznachrichten verpacken, als während ihres gesamten Lebens in Gespräche mit ihren Eltern. Sondern an diejenigen, die sich im Umgang mit neumodischen Medien nicht immer sicher sind, ob sie alles richtig machen.

Aber kommen wir zum Thema: Heute befassen wir uns mit dem sogenannten Gruppenchat. Diese Spezialfunktion innerhalb der Socialmedia-Welt ermöglicht es, beispielsweise bei Facebook, Whatsapp oder Skype in Gruppen zu kommunizieren. Häufig wird eine Gruppendiskussion dazu genutzt, bezüglich einer geplanten Aktivität auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Nehmen wir als Beispiel ein Essen unter Freunden. Gehen wir davon aus, dass das Datum steht, Zeit und Ort aber noch nicht. Der Gruppenadministrator stellt eine entsprechende Frage in die Runde – wie reagieren Sie?

a) Ich schlage mein Lieblingsrestaurant vor und teile mit, dass ich ab 19 Uhr abkömmlich bin.

b) Ich erzähle allen, weil ich endlich einmal die Gelegenheit bekomme, dass mir die ganze Gruppe die ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt, und weil ich gerade eine Viertelstunde Zeit habe, dass scheints das Lokal A) ganz aufregend sein müsse, laut ZüriTipp. Und B) recht speziell, habe Beni letzthin gesagt. Ich selber sei ja noch nie dagewesen, aber Beni habe schon noch ziemlich eine Ahnung, so gastronomisch und so. Und dass Lokal C) auch okay sei, obwohl da Schwergewicht Fleisch auf der Karte sei, und man aber angesichts dieser scheusslichen Massentierhaltung besser Vegetarier werden sollte. Und dass ich aus diesem Grund heute zum Mittagessen auch nur einen Salat hatte, okay noch ein Pouletbrüstli, aber das Huhn sei aus Brasilien gewesen. Und dort gehe es den Tieren ja gut, weil sie ein tolles Klima hätten und viel Sonne. Und ich frage in die Runde, ob schon mal jemand in Brasilien in den Ferien gewesen sei. Jetzt nicht an diesem Fasching, weil es dann an der Copa Gabana (wie schreibt man das eigentlich? *Hihi*) mehr Taschendiebe habe als Gogo-Tänzerinen *Grins*, aber sonst mal. Aber dass ich dieses Jahr ohnehin kein Geld für Urlaub hätte, weil ich ja das Jobpensum reduziert habe. Deshalb jetzt auch viel mehr Zeit zu schreiben. *Smile* Und für den Sommer seis halt schon lässig, am Freitag frei zu haben. *Kicher* À propos Geld: Allzu teuer sollte das Essen dann nicht sein, weil eben Budget knapp. Von mir aus könnte es auch bloss ein Apéro sein. Also ohne Alkohol, weil ich unter der Woche ja nicht trinke. Und übrigens auch um 22 Uhr auf den Zug müsse, weil am nächsten Morgen wieder früh raus. Und dass ich es hasse, früh raus zu müssen, und dass ich am Morgen so unproduktiv sei. Und dass ich mich aber ganz fest auf diesen tollen Abend mit meinen Besten freue. Und dass wir endlich mal wieder richtig viel Zeit zum Quatschen hätten.

Und etwas später (ca. 15 Minuten): Hallo alle, ich bins nochmals. Mir ist noch in den Sinn gekommen…

c) Ich antworte gar nicht.

Auswertung:

Antwort a): Sie sind ein toller Typ, schwer in Ordnung, jemand zum Pferde stehlen oder auch was fürs Bett. Ihnen gehört die Welt, weiter so!

Antwort b): JA! SIE SIND EIN GRUPPENCHAT-IDIOT! Denken Sie wirklich, Ihre (noch) Freunde haben nichts Besseres zu tun, als Ihnen zuzuhören? Bloss weil sie sich nicht wehren können, heisst das noch lange nicht, dass sie keine Gefühle haben. Schreiben Sie ein Buch mit Ihren scheiss Erlebnissen, dann werden Sie sehen, wie wenig Leute sich einen Deut darum scheren, was Sie mitzuteilen haben. Sorry, das musste Ihnen einfach einmal jemand sagen. Bestimmt schreiben Sie in Ihrer Firma auch seit Jahren Mails „an alle“, und es hat sich noch nie jemand getraut, Ihnen zu sagen, wie sehr das nervt. Genauso, wie man sich nicht getraut, jemandem zu sagen, dass er den Hosenladen auf hat. Oder etwas zwischen den Zähnen oder im Bart. Oder alles gleichzeitig. Und Achselschweiss. Reissen Sie sich verdammt nochmals zusammen, sie tragen eine Verantwortung Ihren Mitmenschen gegenüber. Amen.

Antwort c): Irgendwie sind Sie auch ein bisschen ein Idiot.

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Autor: Pete Stiefel

Pete konnte pfeifen, bevor er der gesprochenen Sprache mächtig war – und an seinem ersten Schultag bereits schreiben. Trotzdem ist er da noch einige Jahre hingegangen. Danach schrieb und fotografierte er fürs Forecast Magazin, für Zürichs erstes Partyfoto-Portal stiefel.li, fürs 20 Minuten, MUSIQ, Q-Times, Party News, WORD Magazine, war Chefredaktor vom Heftli, lancierte das Usgang.ch Onlinemagazin – und er textete für Kilchspergers und von Rohrs Late Night Show Black’N’Blond und Giaccobo/Müller. Er trägt (vermutlich) keine Schuld daran, dass es die meisten dieser Formate mittlerweile nicht mehr gibt.

Irgendwann dazwischen gründete er in einer freien Minute seine eigene Kommunikationsagentur reihe13, die unterdessen seit weit über 13 Jahren besteht. Er ist mittlerweile in seiner zweiten Lebenshälfte, Mitinhaber vom Interior Design Laden Harrison Interiors, schrieb unterdessen Pointen für Giacobbo / Müller, Black 'n' Blond (mit Roman Kilchsperger und Chris von Rohr und irgendwann auf dem Planeten Kult gelandet. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein grosser Schritt für Pete.

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