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Star Trek: Discovery – Besprechung Episode 13 («What’s Past Is Prologue»)

von Gastautor Sebastian Blasek

Spoilerwarnung. Dieser Artikel enthält massive Spoiler zum Inhalt der dreizehnten Discovery-Folge «Auftakt zur Vergangenheit» und sollte nur gelesen werden, wenn man die Episode und sämtliche vorangegangenen bereits gesehen hat.

I. Einleitung.

Langsam kristallisiert sich heraus, dass Discovery eine Serie ist, die nur schwer in eine Reihe mit anderen Star-Trek-Serien zu bringen ist. Sie verwendet andere Erzählstrukturen, setzt das Hauptaugenmerk auf andere Inhalte (Figurenkonflikte, Todesfälle, Action) und bildet eine insgesamt geschlossene Handlung, die sich deutlich vom bislang traditionell epiosodenzentrierten Erzählmodell abhebt.

Mehr noch als die drei Abramstrek-Filme würde vielleicht diese Serie den Untertitel «Not Your Father’s Star Trek» verdienen, so dass es nicht allzu sehr verwundert, dass die Serie vielen Fans Probleme bereitet. Gibt es da überhaupt noch Grund zur Hoffnung?

II. Story.

Der düstere Lorca treibt sein Unwesen auf dem Palastschiff der Imperatorin! Er befreit seine alten Mitstreiter aus der Enge ihrer Agoniezellen, zwangsrekrutiert den hilflosen Wissenschaftler Paul Stamets, zieht marodierend durch die dunklen Gänge der ISS Charon und treibt die aktuelle Herrscherin Philippa Georgiou mehr und mehr in die Enge. Letzten Endes bleibt selbst ihr nur allein das Heil in der Flucht vor dem Widersacher und seinen Schergen zu suchen.

Aber die Korridore, Lüftungskanäle und Wartungsgänge werden nicht allein von Georgiou-treuen und oppositionellen Streitkräften bevölkert: Zwischen all diesen Fronten schleicht auch Michael Burnham umher, um nicht nur ihr Schiff, die USS Discovery, vor den hiesigen Vorgängen zu warnen, sondern auch, um einen Weg aus dem Chaos zu finden, in das sie durch die Ränkespiele Lorcas geraten ist. Als sie und Georgiou schließlich zusammentreffen, schmieden sie einen Plan, um nicht nur dem Treiben des verhassten Emporkömmlings ein Ende zu setzen, sondern auch das gesamte Palastschiff in Schutt und Asche zu verwandeln…

III. Lobenswerte Aspekte

Folgenkonstruktion.

Man muss bei aller Kritik doch zugeben, dass mitunter eine echte Augenweide ist, was da in den kanadischen Aufnahmestudios im Namen Star Treks so zusammengezimmert wurde. Einmal abgesehen von den tollen Sets, Schauspielern und Props lässt sich dies auch immer wieder am zum Teil atemberaubenden Kameraeinsatz, den vielen unterschiedlichen Perspektivaufnahmen oder schier endlose Zweikampf-Choreografien ablesen, die in der Form gar nicht, nur sehr selten oder bestenfalls im Kinoformat zu sehen waren. Einschränkend bleibt im gleichen Atemzug aber zu bemängeln, dass dies auch bedeutet, dass mit ähnlicher Beharrlichkeit an unbeliebten Elementen wie der gefürchteten Wackelkamera oder den verhassten Lens Flares festgehalten wird.

Der Episode «Auftakt zur Vergangenheit» muss man ferner noch einen insgesamt sehr klaren Fokus zubilligen: Vermeintlich störende Elemente, wie L’Rell oder Ash Tyler, werden zugunsten der Konzentration auf einen größeren Erzählstrang ersatzlos beiseite getan (sie dürften dafür aber in den beiden nächsten Folgen umso mehr im Zentrum stehen). Dafür gibt man sich die Mühe, längerfristige Entwicklung zu finalisieren und über die Gebühr geöffnete Baustellen endlich zu schließen. Es ist eine beinahe klassische Inszenierung einer Fernsehepisode nach modernen Maßstäben, komplett mit einer Menge Action, einer ähnlichen Menge Pathos, einem Showdown und natürlich einem Cliffhanger.

Die Serie lässt seine Zuschauer durch immer neue Entwicklungen, unerwartete Twists sowie offene Fragen nicht mehr in Ruhe und das Erschreckende ist, wie sehr man sich nach dreizehn Episoden bereits an diesen Zustand gewöhnt hat und gewisse Suchterscheinungen zu zeigen beginnt.

Aber im Angesicht zweier verbleibender Folgen ist die Aussicht auf Spannung natürlich etwas eingeschränkt. Doch wer sich vor der Ausstrahlung oder kurz vor Ende dieser Episode ernsthaft gefragt hat, womit man jetzt noch zwei Folgen durchbringen will, wird sich jetzt sicherlich fragen, wie man die vielen verbliebenen Handlungsstränge jetzt noch auflösen will, denn viel zu viele Fragen stehen noch ebenso unbeantwortet im Raum, wie eh und je.

Wie wird die Crew das Dilemma um den verlorenen Krieg gegen die Klingonen lösen?
Was ist mit der Spiegeluniversums-Discovery?
Was passierte mit dem Original-Lorca?
Wie wird die Imperatorin in diesem Universum sterben?
Ist Tyler noch zu retten?
Was blüht der zum Scheitern verurteilten Sporentechnologie?
Was geht es mit Michael Burnhams ausstehender Haftstrafe weiter?

Moralität.

Gegen Ende der Serie löst sich natürlich ein klein wenig das Konstrukt auf, dass eine Folge zwangsläufig der Beantwortung einer bestimmten philosophischen Frage folgt. Stattdessen springt die Moral munter zwischen verschiedenen Motiven hin und her, so dass man sich als hungriger Zuschauer am Ende wie bei einem All-You-Can-Eat-Buffet den schmackhaftesten Happen heraussuchen kann. Das ist auch ganz gut so, denn mitunter offenbaren sich Grundfragen in dieser Serie so sehr mit der Brechstange, das einem als Zuschauer förmlich der Hinterkopf schmerzt, wenn man mal wieder hinterrücks von einer von ihnen getroffen wird. Um zu erläutern was ich damit meine, bedienen wir uns an dieser Stelle einmal eines Zitates aus der Durchsage Lorcas auf der ISS Charon:

«Hallo Philippa, jahrelang hast Du zugelassen, dass fremde Rassen unsere Grenzen überfluten und es sich vor unserer Haustür bequem machen und am Ende eine Rebellion anzetteln! Die Terraner brauchen einen Anführer, der unsere Lebensweise erhalten kann. Unsere Rasse!»

Es ist vergleichsweise unschwer, an diesen Äußerungen deutliche Anklänge an die Rhetorik des US-Präsidenten Donald Trumps zu erkennen. Lorca könnte im gleichen Atemzug von einem Einwanderungsstopp aus Mexiko reden, Wohltaten zuerst für Amerika («America first«) einfordern oder statt Georgiou Hillary Clinton als Versagerin deklassieren (wer es gerne etwas lokaler hätte: es ist ein unverhohlenes «Merkel muss weg!«). Als er kurz darauf mit Burnham spricht, setzt er diese Vergleichbarkeit fort:

«Und Sie wissen, dass die Föderation ein Experiment ist, das zum Scheitern verurteilt ist. Ein kindischer Idealismus. All die Spezies, Entscheidungen und Meinungen sind nicht gleichwertig und wie sehr auch immer sie sich bemühen: Die Starken und Fähigen werden immer obsiegen.»

Auch hier bediente sich der Drehbuchschreiber einer Sprache, die bei Trump, aber auch so manchem AfD-Politiker direkt aus der Redenschatulle geborgt zu sein scheint. Es geht um die Reduzierung sowie Herabsetzung von Demokratie, der eigenen Selbsterhöhung und darwinistische Prinzipien, die wir alle schon längst überwunden geglaubt haben,  nur um sie nun doch wie Untote aus ihren vermeintlichen Gräbern kriechen zu sehen.
Aber wie reagiert man auf so etwas? Um es mit Burnham zu sagen:

«Das Einzige, von dem ich mich habe blenden lassen, waren Sie!»

Einsicht ist der beste Weg zur Erkenntnis. Es ist sicherlich eine Sache, einem Blender und Täuscher auf den Leim zu gehen, aber eine völlig andere, das Gehirn auszuschalten und diesen Kurs beizubehalten.

Es ist natürlich toll, dass damit das erste Mal seit Enterprise (die Xindi-Attacke als Metapher für 9/11) wieder dringende tagespolitische Ereignisse angesprochen werden, denn darüber hat sich Star Trek oft erfolgreich identifiziert: Der Vietnam-Krieg in «Der erste Krieg«, der Zusammenbruch der Sowjetunion in «Star Trek VI: Das unentdeckte Land» oder Rassismus in «Bele jagt Lokai» sind nur einige Beispiele für das gelungene Spiel mit gesellschaftlich relevanten Themen der Zeit.

Doch auch wenn der Versuch durchaus ehrbar ist, bleiben die vorgestellten Zitate am Ende doch nur vereinzelte Sätze eines Spiegeluniversumscharakters. Eine Figur, die einen Trump markiert oder wenigstens eine Folge, die uns mit den Folgen seiner wirren Weltsicht konfrontiert, sucht man bei Discovery wohl auch in Zukunft vergeblich.

In die gleiche Kerbe schlägt wohl auch die nicht minder mäßig verschleierte Umweltschützermetapher auf den Alleingang Trumps beim Thema Klima, die zum Beispiel dann deutlich anklingt, wenn die Crew der Discovery ihr Unverständnis zum Ausdruck bringt, dass man sich im Spiegeluniversum nicht um die Auswirkungen der heute verursachten Verschmutzungen kümmern würde. Auch das sind sicherlich gut gemeinte Ansätze, die allerdings im großen Erzählrahmen bestenfalls den Charakter einer Randnotiz erhalten.

Daher liegen meine Sympathien auch eher in Themen, die wir bereits in vorangegangenen Rezensionen ausführlich besprochen haben, weil sie schon vorherige maßgeblich Folgen bestimmt haben. Zum Beispiel, dass es keine unlösbaren Szenarien gibt und dass man mit ein wenig Glauben an sich selbst Außergewöhnliches erreichen kann. In bester Kobayashi-Maru-Manier erfahren das auch Saru, Paul Stamets und Sylvia Tilly, die hier eine Todesmission tatsächlich in einen Fluchtweg zurück nach Hause transformieren können.

Noch großartiger war im Vergleich dazu nur der nun endgültig ausgefochtene Showdown zwischen einem bedingungslosen Glauben an das Schicksal gegen die Annahme, dass ausschließlich Selbstbestimmung unsere Handlungen formt. Das Duell dieser beiden konträren Ansichten, in diesem Fall direkt von Lorca und Burnham ausgefochten, hat am Ende einen klaren Sieger – ein vergleichsweise versöhnlicher Abschluss im Anbetracht der Tatsache, dass trotz des Fehlens großer gesellschaftlicher Themen immerhin zentrale menschliche Motive die philosophische Tradition Star Treks am Leben erhalten.

IV. Kritikwürdige Aspekte.

Charaktermomente.

Kann sich noch jemand an die ersten Begegnungen mit Lorca erinnern? An dessen dunkle, geheimnisvolle Aura?
Weiß noch jemand, wie wir Stück für Stück von der Skrupellosigkeit des Mannes erfuhren und dabei zusahen, wie er Verschwörungen gegen Klingonen, seine Vorgesetzen und seine eigene Crew spann? Gut, denn irgendwie ist dieser Mann seit der Ankunft auf der ISS Charon verschollen. Fast wirkt es, als ob Lorca seitdem (vielleicht durch einen Unfall mit einer Kopfverletzung? Oder einen zu langen Aufenthalt in den Agoniezellen??) wieder die konstante Brutalo-Dummheit seiner Universumsgenossen teilt oder durch das Originaluniversum verweichlicht wurde.

Nur wenige Szenen lassen ihn noch in gewohnter alter Form erstrahlen; meistens dann, wenn er Personen wie z.B. die Spiegeluniversumsvarianten von Stamets oder Owosekun effektvoll exekutiert. Aber ansonsten läuft er erschreckend planlos (vergleiche «Kanonbrüche und Logiklöcher«) über die Decks des Palastschiffes, kalauert sich auf geistiger Augenhöhe zu der wiedergefundenen Vollblutsoldatin Landry (vorherige Gerüchte, dass Lorca ursprünglich ein Verhältnis mit ihrem Spiegelbild gehabt hätte wirken nun nur noch glaubwürdiger)  durch die Dialoge und verspielt seinen sicheren Sieg am Ende durch völlig unterranisches Verhalten. Vor allem, weil Burnham völlig unvermittelt zu seiner Achillesverse mutiert.

Natürlich hat er mit ihrer Spiegeluniversumsentsprechung das Bettlager geteilt und natürlich glaubt er, dass das Geschick die beiden zueinander geführt hätte und natürlich hat er bereits im Originaluniversum seine schützende Hand über sie gelegt.
Aber dieses konkrete, obsessive Verhalten fällt dann doch so plötzlich vom Himmel, dass die Lichtempfindlichkeit der hiesigen Eingeborenen im Vergleich dazu beinahe clever eingefügt erscheint.

So erscheint es kaum nachvollziehbar, warum er ihr freies Geleit auf dem gesamten Schiff ermöglicht. Die Art und Weise, wie er sie schließlich aufnimmt, als sie mit Georgiou im Schlepptau zurückkommt, wirkt eher wie ‹liebestoller Mittfünfziger beim Ausleben der dritten Midlife-Krise‹. Und dass er – einem jungen He-Man gleich – Landry mit einem Schwerthieb niederstreckt, als sie die Oberhand im Kampf gegen die Verräterin erringt, war im Angesicht der Situation völlig unnachvollziehbar. Gruseliger Höhepunkt war dann aber, dass er, nachdem er von hinten erdolcht wurde, seine mühsam ausgespuckten letzten Worte ebenfalls Burnham widmet.

Alles in allem ist Lorca lächerlich sentimental (nicht nur Burnham, sondern auch Saru gegenüber) und wirkte nicht mehr wie jener durchgängig fiese, berechnende Charakter, den Jason Isaacs mit seiner Darstellung zuvor unwiderruflich nach ganz weit oben auf die Liste der Star-Trek-Bösewichte gespielt hat.

Ähnliche Konstanzprobleme zeigte dieses Mal auch Burnham. Auch sie scheint von der Identitätskrise, die der Besuch in dieser Realität mit sich bringt, betroffen zu sein. Zwar bleibt sie trotz aller Erfahrungen ihren Föderationsidealen treu, doch davon ab verliert sie sich völlig in einem Strudel der Gefühle zu Philippa Georgiou. Jener Frau, die sie mehrfach in die Zelle sperren ließ, ihr Kelpianersuppe servierte und den Kontakt zu ihrem Schiff untersagte, läuft sie wie ein Schoßhündchen immer wieder hinterher, obwohl ihr klar ist, dass es sich nicht um die selbe Person handeln kann, der sie schon einmal beim Sterben zusehen musste.

So wird sie für den unerträglichsten Moment der Folge verantwortlich, als sie sich dem Spiegelbild ihrer verstorbenen Ziehmutter nicht nur sprichwörtlich um den Hals wirft, um sie aus der Gefahrensituation zu beamen. Diese massiven Charakterverwerfungen machen es schwierig, beiden Charakteren zu folgen. Es war daher in dieser Episode bedeutend angenehmer, anderen Figuren etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Saru zum Beispiel, der mehr und mehr in die großen Schuhe eines Sternenflotten-Captains hineinwächst. Es erfüllt einen als Zuschauer beinahe schon mit gewissem väterlichen Stolz den hochgewachsenen Kelpianer, der das Kommando in «Wähle Deinen Schmerz» noch als Bürde verstand, so souverän auf der Brücke agieren zu sehen. Es deuten sich damit bereits einige positive Trends für die zweite Staffel an, zumal der von Doug Jones verkörperte Offizier der erste Alien-Captain der Star-Trek-Fernsehgeschichte wäre. Nicht minder gefällig setzte sich Paul Stamets in Szene, vor allem, wenn er mit Sylvia Tilly zusammenarbeitete. Zwischen beiden herrscht eine angenehme Arbeitsatmosphäre, von der wir in der nächsten Staffel auch gern mehr sehen wollen.

Ebenfalls nach Zugabe schreit auch der plötzliche Zuwuchs in der Menge an Dialogzeilen von Airiam, dem kybernetischen Crewmitglied des Schiffes. Vielleicht kann man in ihrer verstärkten Präsenz ebenfalls ein Versprechen an die Zukunft sehen…
Der Rest des Casts war bessere oder schlechtere Staffage. Georgiou hatte ihre Momente, aber war ebenso schizophren zerrissen wie Burnham oder Lorca. Der Spiegeluniversums-Stamets – der immerhin verstehen ließ, warum Lorca seinen Gegenpart stets unfreundlich behandelte – war weit von der Verschlagenheit entfernt, die er noch im Vorgänger offenbarte. Und auch wenn ich mich über die Rückkehr von Rekha Sharma prinzipiell gefreut habe, war ich nicht in der Lage, den Unterschied zwischen dem Original und der Spiegeluniversumsvariante zu erkennen.

Die Sache mit dem Pilz.

Es gibt noch immer einiges, was mich an der neuen Serie stört. Ab und zu, wenn es mich mal wieder besonders stört, krame ich es hervor, um mich darüber zu beschweren.

Der Look zum Beispiel, der die Wahl eines Handlungsortes zehn Jahre vor der Originalserie nicht unbedingt widerspiegelt. Die Holotechnologie die auch in dieser Episode viel zu ausgereift für den Zeitrahmen war. Und diese ganze Pilzgeschichte.
Ich will nicht falsch verstanden werden: Vieles am Sporennetzwerk finde ich in der Tat reizvoll, aber die Autoren benutzen es als erzählerisches Allheilmittel, dass sie jedesmal dann aus dem Schrank kramen, wenn Sachverhalte anderweitig schlecht zu erklären sind.

So verwundert es wohl kaum, dass man Sporen mittlerweile für alles gebrauchen kann: sie dienen als Medizin, zur Energiegewinnung, als Antrieb, als Futter, als Waffe, zur Planetenzerstörung, zur Geisterbeschwörung und es ist wohl auch nicht abwegig, dass sogar Stamets Biowaffe auf seinen Forschungen zum Myzel-Netzwerk fußen.

Mein Problem daran ist, dass zu selten glaubwürdige oder zumindest halbwegs wissenschaftliche Erklärungen damit einhergehen. Es ist – frei nach dem Motto ‹Friss den Pilz oder stirb‹ – ein Objekt erschaffen worden, dass in etwa so faktensicher wie die Midichlorianer bei Star Wars daherkommt: Es wird bei Bedarf einfach mit gerade benötigten Fähigkeiten versehen, ohne dass wenigstens halbwegs nachvollziehbare Einschränkungen den Eindruck einer erzählerischen Abkürzung schmälern würden.
Dass kann man wunderschön daran erkennen, dass Lorca in der Pilz-Kugel elendig verbrennen muss, während die USS Discovery wenige Augenblicke später das Kunststück gelingt, das Objekt völlig unbeschadet zu durchfliegen.

Und auch wenn klar ist, dass die Myzel-Netzwerk-Technologie schon allein deshalb zum Scheitern verurteilt sein muss, weil man keine zehn Jahre später in der Originalserie nichts mehr davon weiß, wage ich allmählich zu bezweifeln, dass wir in dieser Staffel noch miterleben werden, wie das Gebilde zerstört wird, denn ich bin mir sicher, dass die Autoren und Produzenten noch eine Menge mehr Pilzwuchs im Hinterkopf haben, der uns für mindestens zwei oder drei weitere Staffeln beschäftigen wird.

Kanonbrüche und Logiklöcher.

Man kann als Fan ja über das optisch und inhaltlich völlig umgekrempelte Spiegeluniversum sagen was man will, aber man muss den Autoren zugutehalten, dass sie immerhin ihren eigenen Dreck beseitigen. Nicht nur, dass sich das Palastschiff fulminant in Weltraumstaub verwandelt hat, es hinterlässt ein Imperium, dass sich neu suchen muss: Einen neuen Imperator, eine neue Herrscherelite, eine neue Richtung und eine neue Optik, die diesen Neuanfang markiert.

Auf der anderen Seite wird das diktatorische Staatsgebilde auch entscheidend geschwächt und die Nachfolgekämpfe sind ein ideales Brutbett für Rebellionen, Bürgerkriege und Katastrophen, die das Imperium genau an den Rand des Ruins bringen könnten, an dem es in «Ein Paralleluniversum» steht.

In diesem vermeintlichen Bruch in der Kontinuität kann man also – wenn man sich bemüht weiterzudenken – tatsächlich das genaue Gegenteil finden. Leider sind solche Momente nicht unbedingt häufig gesät und mich stören vor allen die vielen kleineren und größeren Unzulänglichkeiten, die mehr an der Glaubwürdigkeit nagen, als jedes fragwürdige Schiffsdesign.

Wie sagte Lorca so schön?

«Ein Jahr, zweihundertzwölf Tage Folter und Agonie meine Freunde. Meine Anhänger! Aber ich bin zurückgekehrt, um Eurem Leid einen Sinn zu geben: Heute ist der Tag, an dem wir unser Imperium zurückerobern! […] Auf dem Schiff des Imerators sind wir genau richtig. Ich bin in ein anderes Universum und wieder zurückgesprungen; denken Sie das schafft man ohne einen Plan?»

War das, was wir nun in der Folge gesehen haben, Lorcas fast zwei Jahre lang ausgetüftelter Plan?
Allein zu hoffen, dass zufällig genug seiner alten Anhänger vor Ort sein würden ist ja schon mutig genug, aber dann auch noch wie ein Cowboy wild um sich schießend in Richtung Thronsaal zu stürmen ist so ziemlich der Gegenentwurf des planvoll agierenden Strategen, der sich in vorangegangenen Folgen etabliert hatte. Dabei hätte es ungleich bessere Pläne gegeben, die Lorca hätte schmieden können.

Zum Beispiel hätte er eine von den klingonischen Tarnvorrichtungen herbringen können.
Oder er hätte in den Archiven seines Schiffes herumstöbern können, um die Technologie der Xindisonde zu stehlen.
Oder er hätte Mudds Zeitkristall mitnehmen können, der sich erst vor einigen Episoden als exzellentes Mittel zur Rache entpuppt hat.

Wirklich alles wäre besser gewesen als dieses wahnwitzige Unterfangen, dem sich Lorca letztendlich hingab. Obwohl das Wort ‹Plan‹ in dieser Hinsicht mit Vorsicht zu genießen ist, denn auch Burnhams Idee, sich und Georgiou auszuliefern, war nicht weniger waghalsig.

Während ich das bei Burnham vielleicht noch als Akt der Verzweiflung interpretieren könnte, stört mich dies bei Lorca einfach.
Ist dies denn der gleiche Lorca, dem es in der originalen Zeitlinie gelang, geräuschlos den Platz seines Doppelgängers einzunehmen, Captain des fortschrittlichsten Föderationsschiffes zu werden und alle Personen in seinem Umfeld nach Belieben an der Nase herumzuführen?

Ich meine, dass dieser Mann im Vorfeld deutlich gezeigt hat, dass er besser Pläne, Intrigen und Ränke schmieden kann als die gesamte Borgia-Familie, Egon Olsen oder Brain. Aber mit seiner Rückkehr passt er sich scheinbar auch intellektuell wieder seiner stumpfen Umgebung an.

Im Zusammenhang mit dem oben genannten Zitat weißt Landry Lorca noch auf etwas anderes hin. Es sollen sich zehn imperiale Bataillone an Bord befinden, von denen man in der Folge erstaunlich wenig sieht. Wo sind die Soldaten hin? Wo sind sie geblieben? Zehn Bataillone umfassen immerhin mindestens 3000 Personen, von denen sicherlich ein guter Teil durch Stamets Bio-Waffe stirbt. Aber dass kein anderer von denen Lorcas, Georgious oder Burnhams Weg kreuzt, ist schon eine außerordentlich glückliche Fügung.

Verwunderung befällt den Zuschauer auch, warum man sich eigentlich die Mühe macht einen Myzel-Körper mit einem Kraftfeld zu schützen, obwohl man es nicht einmal mit Photonentorpedos zerstören kann, während man den Thronsaal als Sitz eines Imperators, der wohl ziemlich häufig zum Gegenstand von Attentaten, Angriffen und Mordversuchen werden dürfte, völlig ungeschützt lässt.

Es hat sich mir außerdem nicht erschlossen, warum Georgiou und Burnham miteinander gebeamt aber getrennt voneinander materialisiert worden sind. Und woher Rhys nach der Rückkehr in die eigene Zeitlinie plötzlich eine interaktive Kriegsstandskarte hervorzaubert, obwohl es keinen (nicht einmal mehr automatischen) Kontakt zur Föderation gibt, wird wohl ebenso unter den Teppich des Vergessens gekehrt werden, wie alle anderen Logiklöcher.

V. Synchronisation.

Es ist noch nicht einmal so, dass die deutsche Synchronisation total schlecht wäre. Man kann Benjamin Stöwe hören, hat einen leichteren Zugang zum Inhalt und größtenteils ist die Übertragung auch recht stimmig. Aber immer wieder ist sie inkonsistent mit dem Duzen und Siezen, dem Titel der Imperatorin oder übersieht, dass Saru Burnham im Original plötzlich als ‹Freund‹ bezeichnet. Viel zu oft gehen einfach kleinere Details in der Übersetzung verloren, was mitunter ein wenig ärgerlich macht.

VI. Fazit.

Die nach allen Regeln der Handwerkskunst produzierte Folge «Auftakt vom Ende» bietet einen Abschluss.
Es ist ein Abschied vom Spiegeluniversum, der von massiven Logiklöchern, neuen Wunderfertigkeiten der Pilztechnologie und schizophren agierenden Hauptcharakteren bestimmt wird.

Auf der anderen Seite begründet er so kurz vor Staffelende auch einen kompletten Neuanfang.
Die Crew muss ihre eigene Identität ohne den omnipräsenten Lorca finden, die Krise eines verlorenen Krieges lösen und bislang sieht alles danach aus, als würde man sich nun wieder dessen besinnen, was in bester Star-Trek-Tradition das Menschsein ausmacht.

Bewertung.

Eine neue Hoffnung.

VII. Schluss.

Discovery ist in der Tat keineswegs «das Star Trek unserer Väter» (eine weitere meiner sehr freien Übersetzungen) und ein klein wenig liegt sogar der Verdienst der Serie darin. Sie entspricht den Sehgewohnheiten des 21. Jahrhunderts und hat es verstanden, diese mit zentralen Inhalten der Franchise zu verbinden. Es ist beileibe keine Fernsehrevolution wie damals die Originalserie oder The Next Generation, aber es ist auch keine endloses Recycling vorangegangener Konzepte wie etwa Voyager oder Enterprise.

Diese mitunter rücksichtslos modernisierte Lesart Star Treks ist nicht frei von Fehlern, aber man kann ihr zumindest zubilligen, über einen gewissen Unterhaltungswert zu verfügen.
Vor allem aber ist sie besser als eines: Gar kein Star Trek.

Denkwürdige Zitate.

«Hi, Doc…»
Ellen Landry (Spiegeluniversum) zu Paul Stamets (Spiegeluniversum)

«Es steht Dir nicht zu, mich ‹Philippa› zu nennen
Philippa Georgiou (Spiegeluniversum) zu Michael Burnham

«Ihr Mangel an Weitsicht enttäuscht mich immer wieder. Darunter habe ich auch einmal gelitten, aber nicht, was mir widerfahren ist, war ein Zufall! Weder, in einer anderen Welt zu landen, noch, ein Schiff zu finden mit dem ich wieder zurückkehren kann. Ich bin der lebende Beweis dafür, dass es das Schicksal wirklich gibt. Apropos, Wir haben jetzt den Punkt erreicht, an dem Ihr Nutzen für mich in keinem Verhältnis mehr steht zu der Gefahr sie am Leben zu lassen. Und vertrauen konnte ich Ihnen sowieso nie richtig. Der Lebenskern des Myzel-Netzwerkes; irgendwie poetisch oder? Ein Wissenschaftler stirbt durch die eigene Schöpfung! Ich mach nur Witze; ich hasse Poesie…»
Gabriel Lorca zu Stamets

«Lorca ist der Auffassung, das Schicksal hätte mich zu ihm geführt. Aber er wird nicht über meine Zukunft verfügen! Ich selbst muss entscheiden, welchen Weg ich beschreite. Das müssen wir alle. Das hat meine Philippa mir beigebracht.»
Michael Burnham

«Es ist hinreichend bekannt, dass meine Spezies die Fähigkeit hat, den nahende Tod zu spüren und ich spüre ihn nicht heute nahen. Ich mag nicht auf alles eine Antwort wissen, aber eines weiß ich genau: Ich bin von einem Team umgeben, dem ich vertraue; dem besten Team, das sich ein Captain je wüschen könnte! Lorca hat unseren Idealismus missbraucht. Und damit das ganz klar ist: Die Discovery ist nicht länger Lorcas Schiff! Sie ist unser Schiff!! Und heute begibt sie sich auf ihre Jungfernfahrt. Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen und ein Scheitern dürfen wir auf keinen Fall hinnehmen. Sie haben ihre Befehle. An die Arbeit!»
Saru

«Ich musste gerade daran denken wer alles gesagt hat, man würde sich leer fühlen, sobald der Sieg errungen ist. Das müssen Idioten gewesen sein!»
Lorca

«Sehr terranisch von Ihnen.»
Lorca zu Burnham

«Wir hätten versucht Sie nach Hause zu bringen – wenn Sie nur gefragt hätten. Denn so ist die Sternenflotte …und so bin auch ich! Und deshalb werde ich Sie nicht töten.»

«BitteHilf mir, Michael…»
Lorcas letzte Worte

«Was hast Du mit mir gemacht?»
Georgiou zu Burnham

Besprechung Episode 01 & 02
Besprechung Episode 03
Besprechung Episode 04
Besprechung Episode 05
Besprechung Episode 06
Besprechung Episode 07
Besprechung Episode 08
Besprechung Episode 09
Besprechung Episode 10
Besprechung Episode 11
Besprechung Episode 12

Sebastian Blasek (auch als Turon47 bekannt) ist in selbst seinen späten Dreißigern noch immer ein großer Star-Trek-Fan, nachdem er 1988 das erste Mal “Raumschiff Enterprise” im Westfernsehen sehen durfte. Aufgewachsen in einem Staat den es nicht mehr gibt, wohnt er heute in Potsdam, wo er Deutsch und Geschichte studiert hat. Der anglophile Fußballfan schreibt in seiner spärlichen Freizeit Artikel für die Star-Trek-Tafelrunde “Hermann Darnell” und schläft am Wochenende gern aus.

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Autor: Gastautor

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