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Star Trek: Discovery – Besprechung Episode 05 («Choose your Pain»)

von Gastautor Sebastian Blasek

Spoilerwarnung. Dieser Artikel enthält nicht nur massive Spoiler zur fünften Discovery-Folge «Wähle Deinen Schmerz«, sondern auch zu allen vorangegangenen Episoden und lässt sich sogar zu Vorhersagen zu zukünftigen Folgen hinreißen. Das Weiterlesen empfiehlt sich daher nur, wenn man alle bisherigen Episoden bereits gesehen hat.

Einleitung.

Es ist eines der interessantesten Phänomene dieser Tage:

Fragt man zehn verschiedene Star-Trek-Fans nach ihrer Meinung über Discovery erhält man zehn verschiedene Antworten.

Die einen lehnen Discovery in Gänze ab und sehen Seth MacFarlanes «Orville» als einigen würdigen Nachfolger der Franchise. Andere loben die neuste Serie über den Klee und sind sich nicht zu fein, zufällig im Internet gefundene Rezensionen als Ausdruck ihrer bedingungslosen Zuneigung mit haltlosen Vorverurteilungen zuzuspammen.

Wieder andere können mit den völlig veränderten Klingonen leben, nicht aber mit dem Aussehen der USS Discovery.

Dem nächsten fehlt der optimistische Grundtenor, während sein Nachbar die menschlichen Abgründe zu schätzen weiß. Anderen stören sich am Reboot-Charakter, wiederum andere an den vermeintlichen Kanon-Brüchen.

Letztendlich liegt die Wahrheit wohl dazwischen, aber dass hält die Fan-Basis selbstverständlich nicht davon ab, auch die fünfte Folge «Wähle Deinen Schmerz«, zu hassen, zu lieben oder zumindest vorsichtig zu betrachten…

Story.

Nach einem Ausflug zur Dienstberatung auf Sternenbasis 28 wird Captain Gabriel Lorca zum Entführungsopfer. Längst haben die Klingonen nämlich Wind davon bekommen, dass es da draußen ein Sternenflottenschiff gibt, das ebenso plötzlich hier und dort auftaucht, wie es auch wieder verschwindet. Um diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen, entführen sie kurzerhand den Kommandanten des Schiffes.

So muss sich auf der Discovery der erste Offizier Saru den Kopf darüber zerbrechen, wie er seinen Vorgesetzten aus der Hand des Feindes befreien kann und es scheint, als würde die Anwesenheit der Meuterin Michael Burnham das ganze Unterfangen weiter komplizieren. Zusammen mit dem Schiffsarzt, dem Chefingenieur und Kadett Tilly hat sie nämlich die Theorie aufgestellt, dass der endlich funktionsfähige Sporenantrieb dem als Navigator missbrauchtem Bärtierchen schadet. So prallen nicht nur an Bord der Discovery die Gegensätze aufeinander, sondern auch an Bord eines klingonischen Gefängnisschiffes, wo sich Lorca nicht nur den Klingonen und Mitgefangenen, sondern den Dämonen seiner eigenen Vergangenheit stellen muss…

Lobenswerte Aspekte.

Zeit zum Entfalten.

Besondere Hervorhebung verdient (mal wieder) der Umstand, dass einige Charaktere die Folge nutzen konnten, um sich maximal in Szene setzen zu können. Das betrifft vor allem vier Charaktere. Allen voran Gabriel Lorca.

Bislang war in diesen Rezensionen immer wieder die Rede davon, wie genial fies Captain Lorca als Antipol zum bislang gepflegten Bild des fehlerlosen Hochglanz-Kapitäns eingesetzt wurde. Doch diesmal ist der lichtempfindliche Schattenmann vielen Fans einen Schritt zu weit gegangen: Als er ausgerechnet die Star-Trek-Ikone Harry Mudd an Bord des Klingonenschiffes zurückließ, war der Aufschrei so groß, dass manch einer der gesamten Franchise gleich die Seele aberkannte.

Aber wer allen Ernstes geglaubt hatte, dass Lorca diese Chance nutzen würde, um seinen (bislang scheinbar gut versteckten) Großmut zur Schau zu stellen, scheint verpasst zu haben, dass Lorcas Name unter den Top-Fünf der besten Sternenflotten-Offiziere nicht ganz zu Unrecht mit Abwesenheit glänzte. Er scheint die vorangegangenen Folgen nicht aufmerksam gesehen zu haben und muss versäumt haben, welches Ausrufezeichen der Mann für gewisse Missionen bereits mit der Zerstörung der USS Buran offenbarte: Hier geht jemand gewissensfrei über Leichen und sieht in anderen vorrangig ein Mittel zum Zweck. Instinktiv erkennt er, wie sie ihm am Besten helfen können, seine eigenen Ziele (in diesem Fall die allgemein wünschenswerte Erhaltung der Föderation) zu erreichen.

Lorca hat in seinem Inneren keinen Platz für Barmherzigkeit oder zumindest keine, wie wir sie nach jeweils sieben Staffeln Picard, Sisko oder Janeway gewohnt sind. Hat man bis hier hin gut genug aufgepasst um das zu erkennen, verwundert es jedenfalls nicht sonderlich, dass mit Harcourt Fenton Mudd nun ein weiteres hilfsbedürftiges Individuum von ihm sang- und klanglos zurückgelassen wurde.

Der Einbezug jenes fragwürdigen Charakters namens Mudd (großartig in Szene gesetzt durch einen gut aufgelegten Rainn Wilson) war übrigens eine der cleversten Ideen der Schreiberlinge, denen es gelang, aus einer eindimensionalen Witzfigur der Originalserie eine vielschichtige Figur zu zaubern, die zwar von Schicksalsschlägen gezeichnet worden, aber in puncto Schlitzohrigkeit und Skrupellosigkeit kaum zu übertrumpfen ist. Dass sich Lorca mit ihm auf Augenhöhe befindet, sagt so viel über die Neuinterpretation des Händlers aus, wie über das Innenleben des neuen Captains. Die Aussicht, dass eben diese ausgefeilte Version Mudds die Serie auch in naher Zukunft nochmals beehren wird, kann man jedenfalls als klare Bereicherung für ganz Discovery zählen.

Als Kontrastpunkt zu den Niederungen menschlicher Abgründe (hier in Person von Mudd und Lorca) diente in «Wähle Deinen Schmerz» die Crew der USS Discovery, die ausgerechnet den Captain retten will, der seine vorherige Besatzung so skrupellos in die Luft gesprengt hatte. Als Bindeglied wirkte dabei der Kelpianer Saru, der sich erstmals wider seine eigene Natur stellen musste, um nicht nur das Amt des Kapitäns angemessen auszufüllen, sondern auch einen Vorgesetzten befreien muss, dessen Führungsstil er nicht unbedingt teilt.

So sucht er – mithilfe des Computers – seinen eigenen Stil und findet ihn letzten Endes in seinen eigenen verschmähten Instinkten wieder. Auf dem Weg zu dieser Erkenntnis begleitet der Zuschauer ihn und seine innere Zerrissenheit, versteht seine nicht immer populären Entscheidungen und sieht ihn pragmatische Entscheidungen treffen, die sich von denen Lorcas kaum unterscheiden.

Am Ende der Folge zeigt sich dann aber mehr als deutlich wie lohnenswert es ist, Saru mehr Screentime einzuräumen, denn die Gratwanderung zwischen den Erwartungen an Sternenflottenkommandanten (dem Über-Ich) und den eigenen Instinkten (dem Ich) macht eher einen guten Befehlshaber aus, als jeder vermeintlich Leitfaden.

Eine ähnliche Bewährungschance wie Saru erhielt auch der Pilz-Experte Paul Stamets, dem nicht hat nur der Verdienst gebührt, die erste homosexuelle Beziehung im Star-Trek-Universum zu führen, sondern auch seine ganz persönliche Version des Kobayashi-Maru-Tests abzulegen. Beide Umstände tun seinem bislang doch recht blass gebliebenen Charakter unheimlich gut.

Neben diesen vier außergewöhnlich gut zentrierten Figuren wird den anderen nur eine Art Nebenrolle zuteil:
Burnham ist im Vergleich zu ihrem vorherigen Auftritten bestenfalls Staffage, Tilly dient in erster Linie als Quelle derber Zoten und Ash Tylers Idealismus ist deutlich übersteigert. Immerhin gelang es dem Arzt Hugh Culber den ein oder anderen Akzent zu setzen, ohne sich allerdings sonderlich hervorzutun.

Bruch mit der Perspektive.

Als großen Pluspunkt sehe ich noch immer den Perspektivwechsel, den Discovery mit seiner Zentrierung auf die Geschichte Michael Burnhams vorgenommen hat. Doch «Wähle Deinen Schmerz» zeigt deutlich auf, dass dies kein starres Dogma ist, sondern eine eher vom Inhalt abhängige, situative Entscheidung. Denn was, wenn man sich überhaupt nicht mit Burnham identifizieren, ihre Handlungen nicht nachvollziehen und für ihre Geschichte kein Interesse aufbringen kann?

Dann hat man seit dieser Folge die Möglichkeit, aus dem engen Korsett des ‹embedded journalism‹ auszubrechen und seinen Blick auch in andere Richtungen schweifen zu lassen. Nicht zuletzt deswegen billigten viele Fans der Serie dieses Mal ein deutlicheres Star-Trek-Feeling zu, weil sich die ständigen Ortswechsel, Figureninteraktionen und Handlungsstränge deutliche Anleihen aus vorangegangenen Star-Trek-Serien offenbarten.

Man kann den Discovery-Verantwortlichen jedenfalls nicht vorwerfen, sich überhaupt nicht um die Alt-Fans zu bemühen.

Liebkosungen für den Kanon.

Vor allem nicht, wenn man bedenkt wie viel Naschwerk sie den alten Trek-Hasen direkt in den Laufweg warfen:

Von der Auflistung der besten Sternenflottenkapitäne (von Pike über Archer bis hin zu Robert April) über die detailreiche Karte der Region (mit Morska, Rura Penthe und der K7-Station) bis hin zum Auftritt Harry Mudds war in keiner Folge zuvor eine solche Dichte von stilvollen Direktbezügen auf den reichhaltigen Star-Trek-Kanon zu sehen. Tatsächlich bekam man als Hardcore-Fan Schnappatmung bei der Art und Weise, in der hier mit Referenzen nicht nur förmlich um sich geworfen, sondern auch punktgenau ins Schwarze getroffen wurde:

Von der Erwähnung von Systemen wie Ophiucus, Benzar oder Antares bis hin zu tragischen Nennungen von Mudds Ehefrau Stella, dem aufgegriffenen Verbot eugenischer Eingriffe sowie der Verwendung eines Hypospray-Vorfahren war einfach eine Riesen-Menge an Gimmicks für aufnahmebereite Alt-Fans zu finden, die Neueinsteigern zwar nichts sagen dürften, aber sicherlich auch nicht sonderlich störend wirkten.

Ich würde sogar so weit gehen die streitbare These aufzustellen, dass noch nie eine Star-Trek-Serie es derart verstanden hat, den Kanon nicht als Feind zu betrachten, der sie in ihrer Entwicklung stört, sondern eher als Freund, der ihr mehr Möglichkeiten als bei herkömmlichen TV-Serien gibt. Wo andere vielleicht billigen Fan-Service vermuten, sehe ich persönlich eine programmatische Absicht, dass man trotz schwerwiegender Brüche (wie dem generellen Schiffsdesign, den Klingonen oder der Holokommunikation) bereit ist, den über Jahrzehnte ausgewachsenen Kanon als Besonderheit der Franchise nicht nur zu pflegen, sondern auch würdevoll miteinzubeziehen.

Dieser Ansatz lässt sich auch in verschiedenen Topoi wiederfinden, die man zwar aufgegriffen, aber auf eigene Art und Weise neuinterpretiert hat. So kennen wir längst das Bild des entführten Sternenflottencaptains (aus «Geheime Mission auf Celtris III«, «Die Wolkenstadt» oder «In den Händen der Borg«) sind zur Genüge mit dem Thema Folterungen vertraut (z.B. in «Geheime Mission auf Celtris III«, «Der geheimnisvolle Garak, Teil II» oder «Doppeltes Spiel«) und kennen die ein oder andere Folge, in der ein Crewmitglied sich wider Willens plötzlich in der Rolle des Captains wiederfindet (etwa in «Der Schachzug«, «Das kosmische Band» oder «Die Waffenhändler«). Und doch transportieren alle diese Sujets innerhalb dieser Folge neue Facetten, die den älteren Vorbildern nicht das Wasser abgraben, sondern einen weiteren Aspekt hinzufügen.

Zudem gibt es noch weitere Querbezüge auf «A Clockwork Orange«, den Feenstaub bei Peter Pan und auf das einzige Spaceshuttle der Sowjetunion; die Buran, die man sich heute im Technikmuseum Speyer ansehen kann.

Abschließend bleibt zum Kanon aber vor allem eines zu bemerken:

Das klassische Nitpicken – ein spaßiger Zeitvertreib für langjährige Star-Trek-Anhänger wie mich – funktioniert nicht mehr. Immer wieder werden bei der häppchenweisen Informationsweitergabe vermeintliche Widersprüche in Nichts aufgelöst, die zuvor noch als großes Sakrileg galten. Die Wahrscheinlichkeit ist dementsprechend hoch, dass dieses Schicksal bald auch andere Kritikpunkte ereilt, wie es kürzlich bei dem in meinen Augen doch recht zweifelhaften Sporenantrieb geschah.

Die Sache mit dem Pilz.

Wenn man nämlich zum ersten Mal hört, dass ein Pilzantrieb ein Schiff innerhalb von Sekunden von einer Ecke des Alls in eine völlig andere teleportiert, dann klingt das im ersten Moment tatsächlich etwas arg bemüht. Doch dann erfährt man in der aktuellen Folge, dass die spezielle Pilzart namens Prototaxites stellaviatori ihr Wurzelwerk nicht nur im Realraum wachsen lässt, sondern auch im Subraum, wo es solcherlei Auswüchse treibt, dass sich die einzelnen Verzweigungen durch das gesamte bekannte All erstrecken.

So komisch es klingt, aber mir persönlich reicht die (nun erfolgte) Erklärung.

Ein uns noch unbekannter Weltraumpilz ist für mich nämlich nicht minder unglaubwürdig als ein uns noch unbekannter Dilithium-Kristall und von einigen irdischen Pilzen ist bekannt, dass sie über ein extensives Wurzelnetzwerk verfügen können.
So gesehen bildet die Idee des Sporenantriebs tatsächlich eine reizvolle Variante Raumflug zu betrachten und man kann ihr zumindest zugestehen, dass noch niemand zuvor darauf gekommen ist. Spannend wird es aber eher, wie dieses Netzwerk zerstört wird, denn das dies früher oder später geschehen wird, steht außer Frage.

Moralität.

«Diese Sternenflottenarroganz! Habt ihr je einen Blick aus Euren schicken Raumschiffen auf die kleinen Leute unter Euch riskiert? Denn wenn, dann hättet ihr vielleicht bemerkt, dass viel mehr von uns hier unten als von Euch dort oben gibt. Und wir haben es satt immer in Euer Kreuzfeuer zu geraten.»

Diese simplen Worte stammen zwar aus dem Munde eines Lügners, Hochstaplers und Betrügers, doch sie stellen eines der eindringlichsten Motive dar, die es in der Folge zu finden gibt. Das Prinzip ‹Ihr da oben, wir da unten‹ ist zwar mitnichten neu, aber verliert gerade in unseren Tagen nichts an seiner Aktualität – gerade wenn man sich vor Augen hält, dass die Sternenflotte als ausführendes Organ der Föderation eigentlich zur Aufgabe hat, zum Wohl aller Menschen und Außerirdischen zu agieren.
Geschickt spielt Discovery weiter mit seinem großen Thema ‹Loyalitäten‹ und ich wage an dieser Stelle mal zu behaupten, dass dies in den kommenden Episoden noch häufiger der Fall sein wird.

Neben diesem recht generellen Motiv ging es wieder einmal um ein Herz für Tiere (zum Glück scheint dieser Handlungsbogen zusammen mit dem Bärtierchen über Bord geworfen zu sein) und vor allem um die Überwindung der eigenen Dämonen.
Während dies bei Lorca (und seinen Gewissensbissen um die Toten auf der Buran) eher ausfällt, findet Saru einen Ausgleich zwischen seinem Sternenflottentraining und seinen Spezies-Instinkten, in dem er beiden Aspekte erlaubt, seine Arbeit gleichwertig zu beeinflussen.

In einer ganz besonderen Star-Trek-Tradition war in diesem Zusammenhang auch die überfällige Aussprache zwischen Burnham und Saru zu sehen, die maßgeblich zur Entdämonisierung Burnhams beitrug und die beiden das Krieg-Teleskop begraben ließ.
Man hat beinahe das Gefühl, als würden hier wieder gute alte Star-Trek-Ideale aufblühen – und das in einer Umgebung, die alles andere als wachstumsfördernd für zwischenmenschliche Beziehungen, Vergeben und Vergessen sowie die Existenz von Bärtierchen ist.

Kritikwürdige Aspekte.

Die Krux mit den Klingonen.

[Vorsicht, dieser Abschnitt erhält sehr wahrscheinlich einen massiven Spoiler auf kommende Folgen!]

So sehr ich noch immer hoffe, dass die Klingonen ähnlich wie der Sporenantrieb, die laterale Transportertechnologie oder das scheinbar unsinnige Design der Discovery einen Stoß in die richtige Richtung erhalten, muss ich doch zugeben, dass mich alles was mit ihnen zu tun hat mehr und mehr stört.

Da wäre – neben dem gruseligen Aussehen, an das man sich irgendwie gerade widerwillig gewöhnt – an erster Stelle mal wieder das Schiffsdesign anzubringen, das man auch in «Wähle Deinen Schmerz» sehen kann. Nach jahrelangem Star-Trek-Konsum habe ich nämlich eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie ein D7-Schlachtkreuzer der Klingonen aussieht. Und wie er nicht aussieht.

Wenn man sich von letzterem ein Bild machen möchte, muss man jedenfalls nur einen Blick auf dieses albtraumhafte Fortbewegungsmittel werfen, mit dem es diesen Klingonen auch noch gelingt, den Captain der Discovery zu kidnappen.
Und natürlich habe ich auch noch nie ein Shuttle der Klingonen gesehen. Jetzt, wo ich weiß wie ihre Raider aussehen (eine wirre Kreuzung aus Mistkäfer, Hubschrauber, Pfau und Kettensäge), will ich es aber auch gar nicht mehr.

Als ob das nicht schon genug wäre, stört mich etwas ganz anderes noch viel mehr.

Nachdem uns Discovery ja schon auf die harte Tour gelehrt hat, dass man den einzelnen Informationen der Charaktere höchste Aufmerksamkeit zollen muss, kann man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass sich hinter dem Neuzugang Ash Tyler der Klingone Voq verbirgt.

Warum?

Nun, zum einen hat L’Rell (die ich in dieser Folge kaum wiedererkannt habe) ihm bereits eröffnet, dass er alles aufgeben muss, um der Sache T’Kuvmas weiterhin dienen zu können. Zum anderen wissen wir, dass L‘Rell aus einem Haus der Agenten stammt und dass solche Spione der Klingonen in dieser Zeit gern in menschlicher Form auftauchen. Der Ausbruch und die gesamte Entführungssituation waren so durchschaubar, dass der Verdacht einer mäßig durchdachten Inszenierung verdammt nahe liegt.
Desweiteren war wohl nicht nur Lorca misstrauisch, was einen Sternenflottenoffizier angeht, der mehr als sieben Monate in einem solch guten Zustand in deren Gefangenschaft überleben kann. Zumal sich die Frage stellt, wie die Klingonen (die sich ja mitten im Gefecht zurückzogen) bei der Schlacht am Doppelstern Gefangene gemacht haben (obwohl sie laut Kirk ja keine Gefangenen machen).

Und welchen besseren Grund sollte es für Tyler geben mit dem klingonischen Captain zu schlafen, als dass er niemand geringeres als ihr Fackelträger ist?

Es ist einfach ein wenig schade, dass bei aller Geheimniskrämerei ausgerechnet diese Erkenntnis so offensichtlich daher kommt.
Natürlich kann ich mich noch immer irren und dann werde ich an dieser Stelle zu Kreuze kriechen. Aber der Teil von mir, der von Discovery darauf getrimmt wurde, jede Äußerung auf die Goldwaage zu legen, ist ob der Offensichtlichkeit dieses Umstandes jetzt schon ein wenig enttäuscht.

Kanon und Logiklöcher.

Es war ein erhabener Moment, als Saru die besten Sternenflotten-Captains auf seinen Bildschirm projizierte. Doch auch wenn ich mich über jeden einzelnen von ihnen gefreut habe, fehlte mir doch der Name Garth von Izar. Als persönlicher Held Captain Kirks und Sieger der Schlacht von Axanar hätte er einen Listenplatz sicherlich mehr verdient als Captain Pike, der zu diesem Zeitpunkt wohl kaum länger als ein Jahr im Amt sein dürfte.

Daneben erstrecken sich – neben der deplatzierten Holokommunikation – ein oder zwei kleinere Logiklöcher.
Wie konnte das Bärtierchen, das kurz zuvor über 99% des körpereigenen Wassers verloren hatte, sich im Weltall wieder zu voller Größe aufplustern?

Und warum muss Lorca mit einem Shuttle zum Rapport bei der Sternenflotte fliegen, wenn eigentlich jedem höherrangigen Offizier dort bewusst ist, wie wertvoll er für die Mission ist?

Übersetzung.

An sich wirkt die Übersetzung stabil, auch wenn es noch immer ein wenig befremdlich wirkt, dass die Klingonin L’Rell ausgerechnet Deutsch mit einem französischen Akzent sprach (oder war das ein Teil der Folter?).

Zudem verpasst man, dass es die erste Star-Trek-Episode überhaupt ist, in der das Wort ‹fuck‹ fällt.

Und endlich gibt es ab der Ausstrahlung einen deutschen Titel.

Eines hat mich am Ende aber viel mehr geärgert.

In der deutschen Fassung kann man nämlich nicht erfahren, dass Lorca den Klingonen bei Benzar ein Schnippchen schlug und auch der Umstand, dass Culber nicht der Chefarzt des Schiffes ist, geht in der Synchronisation letztlich vollkommen unter.
Das weckt natürlich unangenehme Erinnerungen an die Art und Weise, mit der die deutsche Übersetzung bereits in den Jahren zuvor mit Star Trek umgegangen ist. Es ist schlichtweg ärgerlich als Fan, dass man einige Informationen erst erhält, wenn man zur Originalspur wechselt.

Denn wenn man in seiner eigenen Sprache nicht das volle Paket bekommt, sinkt die Motivation natürlich, die deutsche Version als äquivalente Alternative zu betrachten. Es ist andererseits aber auch schlichtweg so, dass vielen Fans hierzulande gar keine andere Wahl bleibt, mit eine informationsärmeren Variante Vorlieb zu nehmen. Ein wenig mehr Einfühlungsvermögen hätte ich mir an dieser Stelle schon gewünscht.

Fazit.

«Wähle Deinen Schmerz» ist die bislang beste Folge Discovery. Nicht nur, weil man kurzzeitig ‹back to the roots› geht und von der Monoperspektive in die traditionelle Multiperspektivität zurückkehrt, sondern auch, weil den Charakteren beeindruckend viel Raum zur Entfaltung geboten wird, den sie nicht minder beeindruckend zu nutzen verstehen. Hinzu kommt, dass man den Star-Trek-Kanon aus der Schmuddelecke holt und ihn gewinnbringend einsetzt, so dass er Neulinge nicht stört, und Alt-Fans Glücksgefühle beschert. Gewürzt mit einer gelungenen Moral ergibt sich eine gute Star-Trek-Folge, die sich problemlos ins größere Gesamtbild einfügt.

Wenn da nicht die Klingonen wären, die als Wehmutstropfen immer wieder sämtliche positiven Bezüge zum Kanon abmildern. Zudem gelang es den Autoren nicht, ausgerechnet den viel zu offensichtlichen Spion mit der notwendigen Unauffälligkeit auszustatten.

Bewertung.

Bis hierher das Beste.

Schluss.

Ich für meinen Teil bin nach dieser Folge endgültig warm mit Discovery geworden. Zwar stören mich noch immer zwei oder drei Aspekte massiv, aber bislang empfinde ich den Neustart Star Treks in einem Zeitalter, in denen Serien eine viel größere Bedeutung zukommt, durchaus angemessen.

Aber das heißt noch lange nicht, dass jeder so empfinden muss. Es liegt in der Natur der Dinge, dass es Fans geben wird, die nichts mit Discovery anfangen können. Und was soll ich sagen? Das ist völlig okay.

Schließlich hat jeder eine Serie, die er mehr mag und eine, die er weniger mag. Und dass es Fans gibt, die einen der Ableger Star Treks partout nicht leiden können, wissen wir spätestens seit dem Start von TNG. Und selbst wenn ich Discovery durchaus mag, muss ich festhalten, dass es wohl nie den gleichen Stellenwert einnehmen wird, den für mich die Originalserie und «Das nächste Jahrhundert» innehaben.

Aber das muss es ja auch nicht, denn als Star-Trek-Fan hat man den Luxus, den keine andere Fanbasis auf dieser Welt hat:
Man kann sich seinen Favoriten aus mittlerweile sieben Serien aussuchen.

Denkwürdige Zitate.

«Es liegt nicht an Dir, sondern an mir.»
Michael Burnham zu Sylvia Tilly

«Auf meinem Schiff hab ich das Sagen.»
Gabriel Lorca

«Das einzige Verbrechen dessen ich schuldig bin ist zu sehr zu lieben.»
Harcourt Fenton Mudd

«Verurteilen Sie mich nicht! Sie sollten es sich nicht mit mir verscherzen. Ich bin Überlebenskünster – genau wie Sie
Mudd

«So kommen wir keinen Schritt weiter. Wollen Sie eine Lösung finden, onder wollen Sie Recht haben?»
Paul Stamets zu Burnham

«Wie seltsam der Weltraum jetzt für Sie aussehen muss, durch diese versehrten Augen…  Ein ganzer Kosmos voll von unerträglichem Licht. Eine andere Kreatur hätte sich in der Dunkelheit verkrochen. Aber nicht Sie. Sie streben nach Ruhm! Doch Ruhm gibt es nicht umsonst. Nein, er will verdient werden; durch Opfer… und Schmerz!»
L’Rell zu Lorca

«Es soll ja helfen, sich etwas von der Seele zu reden. Zu blöd, dass wir alle keine mehr haben
Mudd

«Hast Du geglaubt Du kannst mich verlassen, nach allem was geschehen ist?»
L‘Rell

Besprechung Episode 01 & 02
Besprechung Episode 03
Besprechung Episode 04
Besprechung Episode 05

Sebastian Blasek (auch als Turon47 bekannt) ist in selbst seinen späten Dreißigern noch immer ein großer Star-Trek-Fan, nachdem er 1988 das erste Mal “Raumschiff Enterprise” im Westfernsehen sehen durfte. Aufgewachsen in einem Staat den es nicht mehr gibt, wohnt er heute in Potsdam, wo er Deutsch und Geschichte studiert hat. Der anglophile Fußballfan schreibt in seiner spärlichen Freizeit Artikel für die Star-Trek-Tafelrunde “Hermann Darnell” und schläft am Wochenende gern aus.

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Autor: Gastautor

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